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View Full Version : Novidem GT-RS vs Gallardo GT600



Z07
July 19th, 2009, 12:54
http://www.autobild.de/artikel/novidem-gt-rs-gegen-bf-performance-gt-600_933886.html


Von Ben Arnold 1941 griffen die Japaner den Westen zuletzt erfolgreich an: In Pearl Harbour vernichteten sie im Rahmen eines Überraschungsschlags einen großen Teil der US-Flotte. In den darauffolgenden Jahrzehnten übten sie sich in Infiltration statt offener Aggression: Millionen von Fernsehern, Kameras, Stereoanlagen und größtenteils gesichtslosen Autos überschwemmten die Kontinente. Der neue Nissan GT-R beendet diese Ära friedlicher Koexistenz: Deutschland (Porsche 911, Audi R8) und USA (Corvette) sind bereits geschlagen. Nur Italien stemmt sich der Invasion noch entgegen: Gelingt es Lamborghini, den Angreifer zurückzuschlagen? Auf den ersten Blick scheint die asiatische Offensive aussichtslos: 485 serienmäßige GT-R-PS sollen sich 560 putzmunteren Lambo-Rassepferden entgegenwerfen – ein Kamikaze-Kommando.
600 Lambo-PS gegen 585 PS beim Nissan

Einmal am V10 des Gallardo geknabbert, ist der Weg in die Sucht vorgezeichnet.Tuner Novidem will dem Nissan helfen, gegen den übermächtigen Konkurrenten zu bestehen. Bislang befeuerte der Veredler vor allem 350 Z mit Kompressorpower, verfügt daher über wertvolle Vorkenntnisse, was die Marke anbelangt. Und die will er in pure Performance ummünzen: Geschäftsführer Normando Ruggiero schwärmt: "Ab Werk spielt der Motor bereits sensationell auf – aber er kann noch viel mehr. Langfristig streben wir 750 PS und eine Gewichtsreduzierung von 1,8 auf 1,5 Tonnen an." Zukunftsmusik: Zum Vergleichstest tritt Novidem mit per Elektronikoptimierung und Sportauspuff erzeugten 585 PS an. Als wäre die Lambo-Nuss nicht schwer genug zu knacken, handelt es sich beim Gegner um kein Auto von der Stange – sondern ebenfalls um ein getuntes. Es stammt von BF Performance – wie Novidem in der Schweiz beheimatet. In Deutschland hat das Unternehmen längst den Fuß in der Tür: Geschäftsführer Bob Forstner betreibt ein Autohaus in Stuttgart und handelt dort mit Lambo, Bentley und Pagani. Er verpasst dem Gallardo LP 560-4 40 PS mehr – generiert per elektronischer Modifikation. Unser Testfahrzeug hatte jedoch noch nicht die volle Leistung – aufgrund der geringen Laufleistung war ein Einfahrschutz aktiv.
Der Novidem GT-RS ist frei von jeglichem Firlefanz

Alles klar: Bei diesem Nissan handelt es sich um keinen Micra.Den gepflegten Auftritt – hervorgerufen von einer Armada aus Karbon-Anbauteilen – schmälert dieser nicht. Diese treten alles andere als unauffällig in Erscheinung – aber welcher Lambo-Fahrer steht schon auf Understatement? Vor allem das im Stile eines angriffslustigen Kinns nach vorn gereckte Frontteil schindet Eindruck. Sicherlich nicht zufällig erinnert es an den Reventon. Der Nissan muss auf derlei Prunk verzichten: Er hat lediglich die gewöhnliche Serienhaut zu bieten – frei von jeglichem Firlefanz. Dazu passt das vom Tuner serienbelassene Interieur: nüchtern und unprätentiös, doch toll verarbeitet und ergonomisch spitze. Selten hat man in einem Supersportler Platz genommen, der so klar strukturiert ist wie der GT-R. Laut brüllend tritt der Gallardo-Motor seinen Dienst an, um anschließend in ein überraschend verhaltenes, TÜV-konformes Brummen zu verfallen. Eine erste Ausfahrt gestaltet sich spektakulär – und relativ mühsam. Die Rundumsicht tendiert gegen null, die Räder schleifen aufgrund der Distanzscheiben bei Lenkeinschlag im Radhaus, der Automatikmodus des sequenziellen Getriebes arbeitet unharmonisch. Hat sich der Motor warmgelaufen, sind derlei Unbilden schnell vergessen: Darf der Gasfuß in erhöhte Drehzahlregionen vorstoßen, versetzt die scheinbar grenzenlose Drehfreude des V10 dem Gemüt einen wohligen Schauer nach dem anderen. ANZEIGEDer Lambo begeistert Cracks
Der Nissan agiert distinguierter. Mit der Präzision eines Profikillers verrichtet er sein Geschäft. Dreht gnadenlos, aber kontrolliert hoch. Punktet mit berechnend-linearer Kraftentfaltung. Offenbart keine Schwäche – nirgends. Verhalten zischend lässt er den Piloten über die wahre Geschwindigkeit im Unklaren – die sich wie von Geisterhand in führerscheingefährdenden Bereichen bewegt. So schnell das Auto voranschießt – es macht keinerlei Aufhebens darum. Ein Knopfdruck aktiviert die Mehrleistung – dann zieht der GT-R vor allem ab mittlerer Drehzahl deutlich besser durch. Der Nissan mopst dem Lambo die Butter vom Brot. Bis 100 km/h brennt er dem Italiener ein Zehntel auf den Pelz (3,6 statt 3,7 Sekunden). Bis 250 km/h kann er den Vorsprung auf fünf Zehntel ausbauen – ein dünnes Polster. Abhängen lässt sich der Lambo folgerichtig nicht. Der Lam*borghini gibt sich fiebrig-nervös, der Nissan stoisch-überirdisch. Der Gallardo will gewiss nicht spielen – und erfordert eine kundige Hand. Bei abgeschaltetem ESP fällt er schnell aus der Rolle. Untersteuern, Übersteuern oder über alle vier Räder schiebend gen Kiesbett rutschen – der Lamborghini legt so ziemlich alle Eigenarten an den Tag, die Normalfahrer verschrecken und Cracks ein seliges Strahlen ins Gesicht zaubern. Das manuell am besten zu bedienende Doppelkupplungsgetriebe des GT-R schaltet sensationell schnell. Mit beispielhafter Neutralität fräst sich der Japaner um den Kurs. Das Auto schnupft jede Gerade so blitzartig auf, dass sogar Routiniers deren plötzliches Ende überrascht.
Beste Rundenzeit auf dem Sachsenring für den GT-R
Das folgerichtige Resultat: eine Rundenzeit von 1:35,41 Minuten – die beste je von uns am Sachsenring gemessene Zeit. Der strapaziösere Lamborghini hinkt minimal hinterher – seine 1:35,68 sind jedoch vergleichsweise hart erkämpft. Auch im Kostenkapitel bekleckert sich Italien nicht mit Ruhm. Bereits das Serienauto kostet 100 000 Euro mehr als der Werks-Nissan – 183 000 statt 82 000 Euro. Die japanische Invasion hat dieses Mal also Erfolg – wirklich Angst macht sie uns bisher aber nicht. Eher Spaß.